Esch, Kaunas und Novi Sad: Europas Kulturhauptstädte 2022 mit dem Zug

Jedes Jahr verleiht die Europäische Union den Titel „Kulturhauptstadt“ an zwei oder drei Städte in Europa. Ziel ist es, die Vielfalt des Kontinents abzubilden, aber auch den Tourismus und das kulturelle Leben vor Ort zu fördern. Für 2022 fiel die Wahl auf Esch-sur-Alzette in Luxemburg, Kaunas in Litauen und Novi Sad in Serbien. Alle drei sind klassische Second Cities – zweitgrößte Städte ihres Landes, die wirtschaftlich und kulturell durchaus bedeutend sind, aber oft ein wenig im Schatten der Hauptstädte stehen.

Damit sich das ändert, haben Esch-sur-Alzette, Kaunas und Novi Sad ein reichhaltiges Programm zusammengestellt. Im Kulturhauptstadt-Jahr sollen Ausstellungen, Konzerte und viele weitere Events Interessierte aus ganz Europa locken. Vor allem natürlich im Sommer – die Hoffnung, dass dieser in Sachen Corona weitgehend unbeschwert sein wird, ist riesig.

Aber wie steht es eigentlich mit Europas Kulturhauptstädten 2022 in Sachen Erreichbarkeit mit dem Zug? Im Jahr eins nach dem European Year of Rail sollte das ja wohl kein Problem sein, oder?

Leider doch.

Tatsächlich ist es der EU gelungen, gleich zwei Städte auszuwählen, die selbst erfahrene Bahnreisende vor eine Herausforderung stellen.

Aber keine Sorge. In diesem Beitrag verraten wir dir, wie du trotzdem mit dem Zug ans Ziel kommt – sofern du etwas Zeit mitbringst und die Pandemie es zulässt. Außerdem: Warum sich die Reise in die Kulturhauptstädte überhaupt lohnt und was es dort für Zugfans zu entdecken gibt.

Esch-sur-Alzette, Luxemburg

Erreichbarkeit mit dem Zug: ●●●●●

Luxemburg ist kleines Land. So reichen Esch-sur-Alzette schon gut 35.000 Einwohner für Platz zwei im Großherzogtum. Wer das einstige Zentrum der Stahlindustrie deswegen abtut, irrt jedoch. Mit moderner Architektur, einer jungen Universität und viel internationalem Flair ist die Stadt an der französischen Grenze ein Musterbeispiel für gelungenen Strukturwandel.

Und das Beste: Von Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Esch-sur-Alzette hervorragend mit dem Zug zu erreichen. Egal wo deine Reise startet, dein erstes Ziel heißt Luxemburg. Damit ist jetzt die Stadt Luxemburg gemeint, in Bahnfahrplänen auch unter Luxembourg zu finden. Von dort besteht ein dichter Takt mit bis zu vier Regionalzügen pro Stunde nach Esch-sur-Alzette, die Fahrt dauert etwa 25 Minuten.

Und so gelangst du nach Luxemburg:

Von Deutschland: Direkt nach Luxemburg-Stadt geht es stündlich mit dem Regionalexpress ab Koblenz und Trier, sowie einmal am Tag mit dem Intercity der luxemburgischen Bahn CFL ab Düsseldorf, Köln und Bonn. Besonders günstig ist die Fahrt mit dem Super Sparpreis Europa der Deutschen Bahn ab 18,90 Euro auf kurzen Strecken (z.B. ab Köln) und 30,90 Euro auf längeren Strecken (z.B. ab München).

Von Österreich: Besonders bequem startet die Reise nach Luxemburg mit dem Nightjet in Richtung Amsterdam ab Wien, Linz oder Innsbruck. Wer den frühen Ausstieg in Koblenz um kurz nach 5 Uhr nicht scheut, kann bereits gegen 9 Uhr in Esch-sur-Alzette sein. Wer hingegen lieber etwas länger schläft, kann auch erst in Köln oder Düsseldorf umsteigen.

Von der Schweiz: Der schnellste Weg ab Zürich oder Basel nach Luxemburg führt über Frankreich. Mehrmals täglich geht es in knapp fünf Stunden mit TGV und französischen Regionalzügen über Mulhouse ins Großherzogtum. Einige Verbindungen erfordern einen weiteren Umstieg in Metz.

Übrigens: Hast du gewusst, dass Bus- und Zugfahren in Luxemburg gratis ist? Als erstes Land der Welt hat Luxemburg im März 2020 landesweit seine öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos gemacht. Und zwar auch für Touristen. Ja, richtig gelesen: Für die Fahrt von Luxemburg-Stadt nach Esch-sur-Alzette brauchst du kein Ticket! Einzig für die Fahrt in der 1. Klasse ist ein kleines Entgelt von 3 Euro (Einzelfahrt) oder 6 Euro (Tageskarte) fällig.

Kaunas, Litauen

Erreichbarkeit mit dem Zug: ●●○○○*

*Ohne Corona-Einschränkungen

Okay, kommen wir zu den schwierigen Fällen.

Mit gut 300.000 Einwohnern ist Kaunas nach den drei Hauptstädten Riga, Vilnius und Tallinn die viertgrößte Stadt des Baltikums. Idyllisch von Hügeln umgeben liegt Kaunas am Zusammenfluss von Memel und Neris, wo die 1361 erstmals erwähnte Backsteinburg thront. Östlich der Burg beginnt die zauberhafte Altstadt, die mit ihren langen Gassen zum Flanieren einlädt.

Wer Kaunas jedoch in die Verbindungssuche von DB, ÖBB oder SBB eingibt, findet genau: nichts. Gleiches gilt für fast alle Orte in Litauen und dem gesamten Baltikum. Die gute Nachricht: Zugverkehr gibt es in der Gegend trotzdem. Nach Kaunas führt sogar eine der wenigen internationalen Verbindungen – von Białystok in Polen, etwa 180 km nordöstlich von Warschau.

Seit 2016 gibt es auf der normalspurigen Strecke (sonst besteht in den baltischen Ländern russische Breitspur) wieder Personenverkehr, wenn auch nur spärlich und mit einfachen Dieseltriebwagen. Es handelt sich um eine Vorleistung zum Projekt Rail Baltica. Den Ausgangspunkt Białystok erreichst du am besten über Warschau, was wiederum direkt mit Berlin (4–5 EuroCity-Züge täglich) oder Wien (2 EuroCitys und 1 Nachtzug) verbunden ist.

Auch wenn es etwas umständlich ist, eine Zugreise nach Kaunas aus dem deutschsprachigen Raum ist so immerhin möglich.

Nun kommt die schlechte Nachricht: Wegen Corona ist der Zugverkehr zwischen Białystok und Kaunas derzeit eingestellt. Es besteht jedoch Hoffnung, dass sich das im Sommer mit sinkenden Fallzahlen wieder ändert. Wer bis dahin nicht warten möchte, kann mit der polnischen Bahn bis Suwałki an der litauischen Grenze fahren und dort in den Bus nach Kaunas steigen. Eine alternative Anreise nach Litauen bietet die Fähren nach Klaipeda, zum Beispiel ab Kiel (DFDS) sowie Travemünde und Rostock (TT-Line).

Novi Sad, Serbien

Erreichbarkeit mit dem Zug: ●○○○○

Die traumhafte Lage an der Donau. Die entzückende Altstadt mit Habsburger Flair. Die imposante Festung, die alles überragt. Dazu Serbiens vielleicht spannendste Kulturszene samt der Auszeichnung als „Top-Reiseziel“ durch Lonely Planet. Es könnte alles so schön sein in Novi Sad.

Wäre da nicht die Sache mit der Eisenbahn.

Eigentlich liegt Novi Sad, mit 230.000 Einwohnern die mittlere der drei Kulturhauptstädte, an einer europäischen Magistrale: der Bahnstrecke Budapest–Belgrad, immerhin Verbindung zweier Millionenstädte. Der Zustand der Strecke kann jedoch ohne zu übertreiben als katastrophal bezeichnet werden. Auf dem serbischen Abschnitt war zuletzt kaum mehr als Schritttempo möglich, wie dieser Reisebericht eindrücklich beschreibt.

Kein Wunder, dass man im Februar 2019 damit begann, die Strecke von Grund auf zu sanieren. Mit Hilfe von China, das künftig Container vom griechischen Hafen Piräus nach Westeuropa rollen lassen will. Der Personenfernverkehr von Ungarn steht seitdem still, auch der Nachtzug von Budapest nach Belgrad fiel den Baumaßnahmen zum Opfer. Bis Ende 2021 konnte man immerhin noch mit einem Regionalzug vom Grenzort Subotica nach Novi Sad zuckeln, aber auch damit ist seit diesem Jahr Schluss.

Immerhin: Der südlichste Teil der Strecke, die 75 Kilometer von Belgrad nach Novi Sad, soll bereits im Frühjahr 2022 freigegeben werden. Damit ergeben sich theoretisch zwei Anreisevarianten nach Novi Sad.

Möglichkeit 1: Zunächst nach Budapest, zum Beispiel mit dem Nachtzug ab Berlin, München und Zürich oder dem Eurocity ab Wien. Mit einem ungarischen Regionalzug geht es dann zweimal am Tag nach Kelebia. Von dort bietet die serbische Bahn eine Art Shuttle-Zug über die Grenze nach Subotica an, die Passkontrolle erfolgt an Bord. Ab Subotica gibt es diverse Busse nach Novi Sad, Fahrtdauer je nach Anbieter 1,5 bis 2 Stunden.*

Möglichkeit 2: Sollte der Streckenabschnitt Belgrad–Novi Sad tatsächlich im Frühjahr eröffnet werden, könnte eine Anreise über Zagreb eine Alternative sein. Zwischen der kroatischen und serbischen Hauptstadt gibt es über Vinkovci genau eine Zugverbindung am Tag, Dauer etwa 7 Stunden. Nach Zagreb geht es direkt mit dem Eurocity „Mimara“ von Frankfurt sowie mit den kroatischen Nachtzügen ab München und Zürich.

*Ganz Hartgesottene können sich auch mit Regionalzügen über Sombor und Bogojevo durchschlagen, siehe Fahrplantabelle im Kursbuch der serbischen Bahn. Es besteht allerdings kein Anschluss an den Shuttle-Zug von/nach Ungarn, so dass ein zusätzlicher Reisetag nötig ist.

Welche der drei Kulturhauptstädte 2022 würdest du gerne besuchen? Hinterlasse uns gerne einen Kommentar!