Als Hobbytaucher und Umweltschützer befinde ich mich in einem Dilemma: Ob Malediven, Thailand oder Ägypten, all die bekannten Tauchziele und grandiosen Meeresschutzgebiete liegen in tropischen Gewässern. Kaum eine Möglichkeit zur klimafreundlichen Anreise. Und leider wird die Korallenbleiche gerade durch den Klimawandel befeuert, durch die Erwärmung und Versauerung der Ozeane. Wer in den Tauchurlaub fliegt, zerstört sein eigenes Urlaubsziel. Seit Greta Thunberg und Fridays for Future kommen wir nicht mehr umhin, diesen Widerspruch zu bemerken.
Aber halt, zum Glück gibt es einen Ausweg: das Mittelmeer. Spannende Tauchreviere und bezaubernde Unterwasserwelten gibt es auch hier. Und das Beste: man kommt bequem und klimaschonend hin – mit dem Nachtzug! In diesem Artikel nehme ich dich mit nach Ischia, der größten Insel im Golf von Neapel. Der Ablauf ist denkbar einfach. Mit dem ÖBB-Nightjet geht es zunächst nach Rom, dann mit den exzellenten italienischen Hochgeschwindigkeitszügen nach Neapel. Dort wartet schließlich die Fähre nach Ischia.
Über die Alpen
Über die Fahrt mit dem Nachtzug nach Rom habe ich an anderer Stelle schon berichtet. Hier sei nur so viel verraten: Sie beginnt mit einem echten Highlight. Vom Wiener Hauptbahnhof geht es nämlich bald auf die Semmeringbahn, Europas älteste Gebirgsstrecke – und bis heute eine der schönsten. Seit 1998 zählt sie darum völlig zurecht zum UNESCO-Weltkulturerbe. (Eine wunderbare Würdigung der Semmeringbahn findest du hier.)
Jetzt im Sommer ist es noch hell, so dass ich eine Weile einfach das alpine Panorama genieße. Als es zu dunkel wird, besorge ich mir beim Schaffner ein kaltes Bier und sehe auf dem Laptop einen Film an. WLAN gibt es zwar noch nicht im Nightjet, eine Steckdose findet sich aber in allen Schlafwagenabteilen und den meisten anderen Waggons. Den Rest der Nacht verbringe ich wie es sich im Nachtzug gehört: mit Schlafen.
Kurz nach acht Uhr weckt mich der Schaffner mit dem Frühstück. Leider hatten wir in der Nacht wohl Probleme, denn statt um 9:22 Uhr sollen wir erst gegen 10:30 Uhr ankommen. Bequem am Fenster sitzend, mit Kaffee und Buch in der Hand, vergeht die Zeit zwar schnell; auf knappe Verbindungen sollte man aber besser verzichten. Also lieber etwas Zeit für ein Mittagessen und einen Spaziergang in Rom einplanen!
In einem der Seitenflügel des Bahnhofs Roma Termini gibt es eine Aufbewahrung für Gepäck: in Einfahrtrichtung nach links aus dem Kopfbahnhof treten und außen an der linken Bahnhofsfassade entlang, ca. 200 Meter zu Fuß. Wer noch ein paar Meter weiterläuft, findet im gleichen Flügel auch den „Mercato Centrale“. Ein ungenutzter Teil des Bahnhofs wurde hier zur Street-Food-Halle umgebaut. Eine bequeme Möglichkeit, die Wartezeit bei Bier, Cocktails und gutem italienischen wie internationalen Essen zu verbringen.
Tempo 300 ans Meer
Am Nachmittag geht es weiter. Mit dem „Frecciarossa“, dem roten Flitzer der Trenitalia, ist es nur eine Stunde nach Neapel. Auf der Rennstrecke wird fast durchgehend Tempo 300 gefahren. Die Aussicht ist trotz einiger Lärmschutzwände schön, immer wieder tauchen erstaunlich hohe Berge vor dem Fenster auf. Auf der selben Strecke verkehren auch die „Italo“-Züge der Konkurrenz, mit gleicher Geschwindigkeit, aber oft ein ganzes Stück billiger. Mit etwas Glück findet sich sogar ein Sparticket in der Business Class, wo Ledersessel warten und eine kostenlose Erfrischung und Kaffee am Platz serviert werden.
In Neapel fahre ich direkt mit der Metro zum Hafen. Das sind nur zwei Stationen und dauert keine zehn Minuten. Die U-Bahn von Neapel ist modern und sicher, Schilder weisen auf die Unterstützung durch die Europäische Union hin. Den guten Eindruck trüben nur die altmodischen Fahrkartenautomaten. Sie bestehen darauf, das Ticket für 1,10 Euro passend zu bezahlen.
Mit der Fähre geht es nun auf die letzte Etappe. Der Katamaran fährt vom Anleger „Molo Beverollo“ unterhalb des Schlosses nach Ischia Porto. Die Fahrt dauert gut eine Stunde, gegen zehn Uhr abends komme ich auf der Insel an. Die Strassen sind zu dieser Zeit noch reichlich belebt, Touristen flanieren nach dem Abendessen zu den vielen Eisdielen. Ich gehe für heute erstmal schlafen, denn ich habe reichlich Pläne für die nächsten Tage.
Tauchparadies Ischia
Eine Woche auf Ischia zu verbringen, fällt nicht schwer. Natürlich ist die Insel sehr touristisch, trotzdem aber bemerkenswert schön. Anfang Juni hält sich der Trubel zum Glück noch in Grenzen. Für mich kommt jetzt der wichtigste Teil der Reise: Tauchen. Eine Suche im Internet spuckt schnell eine Liste der Tauchschulen aus. Natürlich ist Tauchen hier kein derartiger Massensport wie in Thailand, aber eine Handvoll Tauchschulen stehen zur Auswahl. Wer noch keine Erfahrung hat, kann auch einen Kurs belegen.
Als zertifizierter Taucher habe ich zwei geführte Tauchgänge gebucht. Mit dem Boot geht es an die Ostseite der Insel, vor die steil abfallenden Klippen. Und der Ort ist in der Tat spektakulär: Wir tauchen in halber Tiefe eine ca. 40 Meter senkrecht abfallende Wand entlang. Es wimmelt vor Fischen, in Spalten entdecken wir Oktopusse und Muränen. Wer für Tauchtiefen von mehr als 30 Meter qualifiziert ist (ich bin es nicht), kann von Ischia aus auch historische Wracks entdecken. Und schon als Schnorchler lässt sich an einigen Stellen das Blubbern vulkanischer Gase aus dem Meeresgrund beobachten. Wem das alles nicht reicht, dem sei ein Ausflug aufs Festland empfohlen: im „Parco sommerso di Baia“ vor Pozzuoli findet sich eine versunkene römische Stadt.
Ischia: Mehr als Unterwasser
Aber Ischia hat natürlich mehr zu bieten als Tauchen. Eine weitere Attraktion sind die vielen Thermalquellen. Die meisten liegen auf der Südseite der Insel und sind kostenlos zugänglich. Manche sind so heiß, dass sich darin Eier, Kartoffeln oder – sorgfältig in Folie verpackt – sogar ganze Mahlzeiten kochen lassen. Wer es lieber gemütlich mag, dem dürften die vielen Spas zusagen, die sich aus den heißen Quellen speisen.
Mein persönlicher Favorit ist der kleine Cartaromana-Strand. Einfacher zu erreichen als die Quellen auf der Südseite, kann man hier nach einem langen Tag auch nur für ein halbes Stündchen vorbeikommen. Ich komme gerne abends, kurz vor sieben Uhr, wenn die Liegestühle weggeräumt sind. Nach einer Runde im Meer steige ich dann in einen der drei natürlichen Thermalpools. Blubbernd mischt sich hier Thermal- mit Meerwasser, jedes Becken hat seine eigene Temperatur. Wie in eine Badewanne lege ich mich in das flache Wasser des wärmsten Pools und schließe die Augen – Tiefenentspannung!
Auf Ischia lassen sich auch schöne Wanderungen unternehmen. Zum Beispiel auf den höchsten Gipfel der Insel, den Monte Epomeo. Mit dem Bus fahre ich auf die Südseite. Der Fahrer erklärt gerne, wo man aussteigen muss. Auf einem Feldweg geht es zunächst steil bergauf, dann führt mich ein Hohlweg durch den Wald. Vorbei an blühender Macchia erreiche ich schließlich nach gut eineinhalb Stunden den felsigen Gipfel. Hier erwartet mich eine fantastische Aussicht: auf allen Seiten Meer, direkter Blick auf Capri und am Horizont der Vesuv.
Schließlich bleibt in Italien natürlich noch: Essen! Ein absolutes Muss sind die Antipasti Misti im „Ristorante Bracconiere“ (Via Falanga 1, Serrara Fontana). Zu ihnen gehört eine wunderbare Kartoffelsuppe, serviert im ausgehöhlten Brotlaib. Wer früh genug vorbestellt, bekommt hier außerdem den besten Ischia-typischen Hasen. Einfacher, aber nicht weniger schmackhaft, geht es in der Pizzeria „Pirozzi“ (Via Seminario 51, Ischia Ponte) zu. Und wer keine Lust zum Ausgehen hat, macht es einfach wie die Italiener: Eine Pizza auf die Hand, dazu ein Bier, und dann ab an den Strand!
Pizza napoletana
Bei der Rückfahrt nutze ich die Gelegenheit für einen Zwischenstopp in Neapel. Entgegen aller Vorurteile ist das touristische Zentrum von Neapel sicher und äußerst sehenswert. Vom Fähranleger schlendere ich zur „Antica Pizza Fritta da Zia Esterina Sorbillo“ in der Piazza Trieste e Trento und mische mich unter die Menge. Mit einer Nummer in der Hand wartet man hier auf seine Pizza, die in Neapel nicht nur gebacken, sondern traditionell auch frittiert wird.
In Rom wird es dann noch einmal kurz hektisch: das Abfahrtsgleis des Nightjet erscheint erst zwei Minuten vor der planmäßigen Abfahrt auf den Anzeigetafeln. Zum Glück wartet der Lokführer auf die rennende Menge. Ich falle in den Sitz meines Schlafwagenabteils. Langsam rollen wir aus der Stadt hinaus, erhaschen Blicke auf Burgen und Weinberge im goldenen Abendlicht. Nach einem langen Sommertag wartet auf alle Fahrgäste noch ein Bonus: die erfrischende Dusche am Ende des Schlafwagens.
Infos kompakt
- Nachtzüge nach Rom und zu vielen weiteren Zielen werden von den ÖBB unter der Marke Nightjet betrieben. Die Trenitalia betreibt außerdem ein wert verzweigtes Netz von Nachtzügen innerhalb Italiens. In unserem Nachtzug-Guide Italien findest du alle Infos
- Der Komfort ist identisch, aber ein Preisvergleich lohnt sich für die Hochgeschwindigkeitszüge „Frecciarossa“ (Trenitalia) und „Italo“ (Nuovo Trasporto Viaggiatori)
- Vergleichen und Buchen der Fähren nach Ischia
- Infos zum Tauchen auf Ischia und im Golf von Neapel (englisch)
- Mehr über Thermalquellen und Kulinarik in der New York Times
2 Kommentare
Hey Niels,
danke für den informativen Beitrag. Mir war gar nicht bewusst, dass man ja auch in Italien tauchen gehen kann. Sieht aufjedenfall recht spannend aus.
Viele Grüße,
Julian
Hi Julian,
Ja, im ganzen Mittelmeer gibt es wunderbare Tauchmöglichkeiten. Auch Marseille und Sardinien sind sehr empfehlenswert. Auf dass die Unterwasserwelt uns noch eine Weile erhalten bleibt.
Viele Grüße,
Niels
Nach Beitragsautor