Zackenbahn und mehr: Weihnachten im Riesengebirge

Die Zackenbahn schlängelt sich im Riesengebirge in luftige Höhen. Wir haben sie mit dem Nachtzug besucht – und Abstecher nach Liberec und Görlitz gemacht. Eine winterliche Reise zwischen Polen, Tschechien und Deutschland.

Zackenbahn, zweiter Akt

Leicht durchgefroren und hungrig kehre ich zum Bahnhof zurück. Da trifft es sich gut, dass ich das kleine Szklarka Bistro entdecke. Etwas versteckt liegt es im ehemaligen Fahrkartenschalter. War es einst das Ticket in die Welt, das die Reisenden hierher lockte, sind es nun kleine Gerichte, kühles Bier und allerlei Kaffeespezialitäten.

Leider sind die Pierogi heute aus, was dem jungen Mann hinter dem Tresen sichtlich unangenehm ist. Stattdessen serviert er mir ein Sandwich und einen umso liebevoller zubereiteten Cappuccino. Erfreut stelle ich fest, dass man im modernen Polen selbst in der Provinz hervorragend Kaffee trinken kann. Gerne würde ich noch ein wenig verweilen, doch schon bald kündigt sich mein nächster Zug an.

Auf dem Weg zum Gleis entdecke ich eine leerstehende Halle. Sie ist das Relikt einer längst vergangenen Zeit, in der die Schnellzüge noch aus Breslau und Berlin eintrafen. Immerhin: Nach Jahrzehnten als Endpunkt im polnischen Schienennetz, wurde 2010 der Verkehr von Szklarska Poręba Górna nach Tschechien wieder aufgenommen.

Bahnhof Szklarska Poręba Górna Halle
Viel Platz im Bahnhof Szklarska Poręba Górna
Triebwagen Ceske Drahy Bahnhof Szklarska Poręba Górna
Über die Grenze geht es mit der tschechischen Bahn

Dem Höhepunkt entgegen

Am Hausbahnsteig wartet schon der Triebwagen im Blau-Weiß der tschechischen Bahn. Und der muss direkt nach der Abfahrt ordentlich schuften: Meter für Meter schrauben wir uns den Hauptkamm des Riesengebirges hinauf, mit jedem wird die Schneedecke dicker. Spätestens nach dem Haltepunkt Szklarska Poręba Huta sind wir im tiefsten Winter angekommen. Das freut nicht nur die Langläufer, die um uns herum durch die Loipen flitzen. Bei Jakuszyce schließlich erreichen wir den Scheitelpunkt der Zackenbahn – 886 Meter über Normalnull.

Ab jetzt geht es bergab. Das bezieht sich jedoch allein auf die Topographie, denn Strecke und Landschaft bleiben wunderschön. Immer am Hang entlang geht es durch den verschneiten Wald. Wenn die Bäume den Blick frei geben, kann man linker Hand den markanten Gipfel des Szrenica erspähen. Auf Deutsch heißt der Berg Reifträger – angesichts der Schneemassen eine ziemliche Untertreibung.

Winter Landschaft Zackenbahn
Endlich: Bilderbuch-Winter an der Zackenbahn
Winter Zackenbahn Schild Tanvald
Die Richtung ist klar: Tanvald heißt das nächste Ziel

Bahnparadies Tschechien

Als ich im Tal eine Skisprungschanze erblicke, haben wir die Tschechische Republik erreicht. Genauer gesagt ist es eine Skiflugschanze – eine von fünf weltweit. Sie gehört zu dem bekannten Wintersportort Harrachov, in dessen Bahnhof wir auf unseren Gegenzug treffen. Wir drehen noch eine großzügige Runde um den Ort, ehe wir auf einem Viadukt die Iser (tschechisch Jizera, polnisch Izera) überqueren. Der Nebenfluss der Elbe gab der Zackenbahn ihren heute in Polen gebräuchlichen Namen: Kolej Izerska.

In Tanvald machen wir eine kurze Pause. Wir haben bereits einige hundert Höhenmeter verloren, entsprechend spärlich ist der Bahnsteig nur noch mit Schnee bedeckt. In gemütlichem Tempo zuckeln wir dann unserem Zielort Liberec entgegen. Draußen wird es langsam dunkel, drinnen ist es kuschelig warm. Lachend zieht die Schaffnerin durch die Reihen und hält mit jedem Fahrgast ein kurzes Schwätzchen. Kurzum: Ich bin im Eisenbahnparadies.

Bahnhof Harrachov Zackenbahn Winter
Harrachov – Willkommen in Tschechien!
Triebwagen Ceske Drahy Bahnhof Tanvald Winter
Zwischenstopp in Tanvald. Ein Umstieg ist hier nicht mehr nötig

Liberec: Karpfen statt Krapfen

Mit knapp 100.000 Einwohnern ist Liberec die fünftgrößte Stadt Tschechiens. Schon immer lag sie ein wenig abseits der wichtigsten Verkehrswege, und so findet auch am Bahnhof hauptsächlich Regionalverkehr statt. Als ich aus dem Zug steige bin erstaunt, dass die nordböhmische Metropole bis heute nur von Dieselfahrzeugen bedient wird – es fehlt schlicht an der Oberleitung.

Ich gehe zunächst zu meiner Unterkunft, die etwas vom Zentrum entfernt liegt. Zurück in der Innenstadt dann die große Überraschung: Der Weihnachtsmarkt am Rathaus hat schon zu. Mit Glühwein und Schmalzgebäck wird es also nichts. Auch die meisten Geschäfte der Fußgängerzone sind längst geschlossen. Nicht einmal halb acht und ich wandle durch eine verlassene Stadt.

Die Straßen sind gesäumt von Verkaufsständen mit großen, wassergefüllten Bottichen. In ihnen zappeln: Karpfen, Karpfen, Karpfen. In Tschechien und Polen erfreut sich der Weihnachtskarpfen noch immer großer Beliebtheit – und es ist Tradition, ihn lebend zu kaufen. Die armen Tiere werden aus den Fischteichen Südböhmen hierher gekarrt. Noch zwei Tage, dann wird auch der letzte von ihnen seine letzte Ruhestätte neben einer Portion Kartoffelsalat finden.

Bahnhof Liberec Nacht
Nächtliche Ankunft am Bahnhof von Liberec
Rathaus Liberec Weihnachten Nacht
Rathaus von Liberec. Der Weihnachtsmarkt hat leider schon zu

Eine Stadt auf der Suche

Der nächste Morgen. Am dritten Tag der Reise werde den östlichsten Zipfel Deutschlands erkunden. Doch zunächst einmal geht es zu Fuß zurück zum Bahnhof von Liberec. Von der Technischen Universität laufe ich am Ufer der Talsperre Harcov entlang. Mit dem kleinen Wäldchen auf der Südseite ist sie die grüne Oase der Stadt.

Kurz nach der Staumauer stoße ich auf eine leere, von Industrieruinen begrenzte Fläche. Hier stand einst die bedeutendste Textilfabrik Österreich-Ungarns, gegründet von Johann Liebig im frühen 19. Jahrhundert. Später wurde der Betrieb in die sozialistische Textilana umgewandelt – eine gigantische Stadt in der Stadt. Die Wunde, die der Abriss 2003 ins Stadtbild riss, wird nur mühsam von der neuen Trasse der meterspurigen Straßenbahn nach Jablonec nad Nisou kaschiert.

Weiter in Richtung Zentrum erlebe ich „Fifty Shades of Plattenbau“, ehe ich am zentralen Busbahnhof stehe – eine Scheußlichkeit der sozialistischen Moderne. Überhaupt: Mit seinem Mix aus Alt und Neu wirkt Liberec wie eine Stadt auf der Suche nach sich selbst. Leider habe ich keine Zeit mehr, den Hausberg Ještěd (deutsch Jeschken) zu besteigen. Ohne den Ausblick von dort oben bleibt ein Besuch in Liberec unvollständig, und so werde ich zu anderer Zeit sicher noch einmal zurückkehren.

Textilana Fabrik Ruine Liberec
Gelände der ehemaligen Textilfabrik „Textilana“
Busbahnhof Liberec Uhr
Große Uhr an der zentralen Bushaltestelle von Liberec

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7 Kommentare

Danke Dir gut die fantastische Geschichte. Ich komme aus Breslau und Reise auch mit den Zügen gerne. Und ich muss mit Dir zustimmen: es ist nichts schönes als in der Nacht im Zug sein, beim geöffneter Fenster Kaffe trinken 🙂.

Hallo Witek,
vielen Dank für deinen netten Kommentar. Es freut mich, dass dir der Artikel gefallen hat.
Breslau liebe ich sehr! Ich bin dort schon einige Male mit dem Zug hingefahren. Bald wird es sicher auch dazu einen Bericht auf Train Tracks geben.
Viele Grüße,
Sebastian

Das ist wunderbar. Ich warte auf deinen Bericht ungeduldig 🙂. Im April sind wir zusammen mit meine Tochter von Legden nach Breslau mit dem Zug gefahren und es war richtig geile Erlebnis, sogar für diese kleine 11 jährige Prinzessin 😉. Danke Dir.

Hallo Sebastian, deine Reise war schon beeindruckend beschrieben, denn Schlafwagenzüge, gibt es ja bei der Deutschen Bahn schon viele Jahre, nicht mehr. Aber mir kam, die Beschreibung, des wieder aktivierten Bahnabschnitt, der Zackenbahn, zu kurz, die ja seit vielen Jahren, nicht mehr, im Regelbetrieb bedient wurde, außer einige Güter oder Holztransporte, auf polnischer Seite und die Strecke, über den Kamm, als Abstellanlage, für alte Reisezugwagen verkam, ist es echt verwunderlich, daß die Republiken Polen und Tschechien, diese Landschaftlich, sehr reizvolle Strecke, für Touristen und besonders für den Wintersport, wieder komplett erneuerte und diese wieder täglich, grenzüberschreitend bedient, mal mit Triebzüge der CD, mal mit der PKP, gleichermaßen. Nur, das polnische Eisenbahnnetz, endet nicht in Slarska Poremba, sondern nach dem Kamm, beim Haltepunkt „Neue Welt“, wo sich die heutige Grenze, befindet und kurz danach der Bahnhof Harrachov erreicht wird. Zumindestens hättest du in Deiner Beschreibung, mehr auf die Haltepunkte eingehen sollen, die nach rund 50 Jahren wieder bedient werden, wo sonst überall in Europa auch heute noch viele Strecken stillgelegt werden, obwohl überall, der Individualverkehr wieder zunimmt und ein „Run“ auf Bahnstrecken wieder beginnt, um weniger mit dem Auto zu fahren zu müssen, auch gut fürs Klima ist.

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