Schienenersatz nach Eisenach
Am Hauptbahnhof wartet wieder ein sibergrauer Triebwagen. Eigentlich soll er mich nach Eisenach bringen, aber nach kaum einer halben Stunde endet die Zugfahrt bereits im kleinen Örtchen Fröttstädt. Grund: Bauarbeiten. Es heißt „alle aussteigen“, weiter soll es mit dem Bus gehen.
Niemand weiß so recht, wo der halten soll, und so irren wir in kleinen Grüppchen durch den Ort. Schließlich taucht der Bus an der Unterführung am Bahnhof auf. Nach und nach sammelt er die Versprengten ein, ehe es auf Landstraßen nach Eisenach geht. Dabei haben wir das seltene Vergnügen.
Ankunft in Eisenach
Die Busfahrt endet am Hauptbahnhof. Wegen der Bauarbeiten hält hier an diesem Wochenende kein Zug. Trotzdem haben drinnen die Geschäfte geöffnet und auch an Laufkundschaft mangelt es nicht. Über der Anzeigetafel erinnert ein Glasmosaik an „70 Jahre Eisenacher Automobilbau“. Der Namensgeber des wohl bekanntesten Modells aus Eisenach ist mein letzte Ziel für heute: Die Wartburg.
Wer auf den Spuren Luthers wandelt, darf den Ort, an dem er die Bibel übersetzte, natürlich nicht auslassen. Hoch oben thront die trutzige Burg über der Stadt, am nordwestlichen Zipfel des Thüringer Waldes. Die Sonne haben wir leider in Erfurt gelassen, und so beginne ich den Aufstieg unter dichten Wolken.
Aufstieg zur Wartburg
Ausgangs der Innenstadt führen eigentlich verschiedene Wanderwege hinauf zur Wartburg. Aus irgendwelchen Gründen verpasse ich diese jedoch allesamt und finde mich auf den Serpentinen der asphaltierten Zufahrtsstraße wieder. Kurve um Kurve bahne ich mir den Weg durch den dichten Laubwald.
Auf halber Strecke geht plötzlich ein heftiger Regenschauer nieder. Das noch halbwegs intakte Blätterdach am Straßenrand bewahrt mich vor dem schlimmsten. Wie zum Hohn rasen Kleintransporter an mir vorbei, die Touristen der gemütlichen Sorte hinauf- und hinabkarren. Umgeben von Nebelschwaden rede ich mir ein, dass der „wahre“ Wartburg-Besuch natürlich der erwanderte ist.
Nach einer knappen Dreiviertelstunde komme ich an einer Eselstation vorbei, von der die Kleinen das letzte Stück nach oben reiten können. Für die Erwachsenen eindeutig interessanter ist die Bratwurstbude. So ein heißer Grog hätte jetzt natürlich etwas für sich. Aber nein, durchhalten, weit kann es nicht mehr sein! Und tatsächlich: Mittlerweile auf dem offiziellen Fußgängerweg unterwegs, habe ich bald die Schlusssteigung vor mir. Hier zeigt sich die wehrhafte Festung von ganzer Pracht.
Doppeltes Jubiläum
Die Wartburg ist ein wahrhaft geschichtsträchtiger Ort. Nicht nur Luther fand hier von 1521 bis 1522 Unterschlupf von der Verbannung, auch die heilige Elisabeth von Thüringen lebte bereits im Hochmittelalter auf einer Urversion der Wartburg. Außerdem: Im Jahr 1817 stieg das erste Wartburgfest, Grundstein für Einigkeit und Recht und Freiheit in Deutschland.
Das doppelte Jubiläum – 500 Jahre Reformation und 200 Jahre Wartburgfest – führt an diesem Wochenende im Oktober zum Ansturm der Massen. Insbesondere die Lutherausstellung in den Innenräumen ist hoffnungslos überlaufen. Ein wenig Ruhe und Abgeschiedenheit finde ich auf dem Südturm (Eintritt: 50 Cent). Während sich Sonne, Wolken und Regen ein Gefecht liefern, lasse ich den Blick über den Thüringer Wald schweifen.
Ganze elf Wochen braucht Luther, um die Bibel zu übersetzen. Wie langweilig muss es damals auf der Wartburg zugegangen sein! Im „Reich der Vögel“ hält es der Reformator kaum ein Jahr aus – und kehrt schließlich nach Wittenberg zurück.
Ein besonderes Publikum
Das Gedenken ans Wartburgfest zieht ein besonderes Publikum an: Verbindungsstudenten. Aus halb Europa sind sie auf die Wartburg gezogen. Die kostümierten und nicht mehr ganz nüchternen Burschenschaftler irritieren mich zusehends. So mache ich mich bald auf den Abstieg – nicht jedoch ohne das Vorhaben, bald wiederzukehren.
Auf dem Weg zum Bahnhof bleibt noch Zeit für einen Bummel durch die Innenstadt. Als ich wieder im Bus und später im ICE sitze, sinniere ich über die Reise. Ob mir Luther dadurch näher gekommen ist? Ich weiß es nicht. Aber mit Gewissheit kann ich sagen: Im Herzen Deutschlands liegt ein Kulturschatz, den es zu entdecken lohnt!
1 Kommentar
DANKE für ALLES!!!!!!!!!!!!!!!!!