Mit dem Zug nach Marokko: Unter diesem Motto stand unsere zweiwöchige Osterreise nach Nordafrika. Nachdem wir mit Highspeed ans Ende Europas gedüst waren, sind wir im spanischen Algeciras auf die Fähre über die Meerenge von Gibraltar geklettert. Hier, zwischen den Kontinenten, beginnt der zweite Teil des Berichts.
Ankunft am Containerhafen
Leider verkehren die Fährschiffe seit einigen Jahren nicht mehr direkt bis Tanger, sondern zum riesigen Hafenkomplex Tanger-Med, gewissermaßen dem „Frankfurt Hahn“ unter den Fährhäfen. Bis zur eigentlichen Stadt sind es mehr als 40 Kilometer. Einige Male am Tag verkehrt ein Zug von hier nach Tanger, aber der Fahrplan ist so ungünstig, dass wir an dieser Stelle unsere Bahnreise unterbrechen.
Direkt hinter den Glastüren des modernen Hafenterminals beginnt der Orient: Männer versuchen mit wilden Gesten und lauten Rufen, die Passagiere zu den wartenden Taxis zu lotsen. Ein langwieriges Feilschen um den Fahrtpreis beginnt.
Fünf Tage an der Küste
Unser Apartment für die nächsten fünf Nächte liegt in dem Küstenstädtchen Asilah am Atlantik. Dessen weiße Medina – die verwinkelte Altstadt – war einst portugiesischer Handelsposten und verrufenes Piratennest. Heute ist der Ort Ziel vor allem einheimischer Badegäste. Im Frühling geht es hier noch beschaulich zu.
Der Norden Marokkos gilt gemeinhin als europäischster Teil des Landes, und doch ist schon hier alles anders als in Europa: Viele Männer tragen auf der Straße eine Dschellaba, das traditionelle lange Kapuzen-Gewand. Autos teilen sich die Fahrbahn mit Eseln und Pferdekarren, und fünfmal täglich ertönt von überall her in der Stadt der Singsang, der die Gläubigen an das Gebet erinnert.
Hier könnte man Tage damit verbringen, in einem der Cafés Minztee zu schlürfen und das Treiben auf der Straße zu beobachten. Wir erkunden von dem Ferienort aus Tanger, die einstige Hochburg der Ganoven, Schmuggler und Spione und trauen uns am 1. April in die noch eisig kalten Fluten des Atlantiks.
Eisenbahn in Marokko
Nach fünf Tagen reisen wir weiter zu unserer zweiten Station im Land. Marokko verfügt mit der Staatsbahn ONCF über eines der besten Eisenbahnnetze Afrikas. Überwiegend aus Abteilwagen gebildete Züge verbinden die meisten großen Städte, verkehren zuverlässig nach Plan.
Die Bahnhöfe sind ausnahmslos blitzsauber und Fahrkarten sogar in der 1. Klasse preiswert. Alle Ansagen und Schilder gibt es stets auch auf Französisch. Fahrkarten sind bis kurz vor der Abfahrt problemlos erhältlich. Unser Ziel ist Meknès, etwa vier Stunden südlich von Asilah. Die Idee, noch weiter bis Marrakesch zu fahren, hatte ich wieder verworfen – wir mussten ja irgendwann bis zum Ende der Ferien wieder in Deutschland sein.
Königsstadt Meknès
Aber auch Meknès ist grandios: Für kurze Zeit, von 1672 bis 1727, war hier die Hauptstadt Marokkos unter dem besonders prunksüchtigen Sultan Moulay Ismail. Auch hier besteht die Medina aus einem Gewirr von engen Gassen, in denen sich jeder Besucher anfangs verläuft und in denen statt Autos Eselkarren unterwegs sind.
In großen Teilen gleicht das Stadtzentrum einem riesigen lärmenden Markt. Hier gibt es alles, wirklich alles, von Rinderköpfen und in Stücke gehackten Rochen über Teppiche bis zu angeblich garantiert echten Marken-Turnschuhen.
Angriff auf die Sinnesorgane
In der Umgebung befinden sich etliche lohnenswerte Ziele für Touristen, etwa die römischen Ruinen von Volubilis. Für einen Tag fahren wir noch mit dem Zug nach Fés in die wahrscheinlich größte, noch weitgehend im Originalzustand erhaltene mittelalterliche Stadt der Welt. Die Innenstadt mit ihrem bekannten Gerberviertel wird von unserem Reiseführer sehr zutreffend als „Attacke auf alle Sinnesorgane“ beschrieben.
Die Rückreise beginnt
Als unsere Zeit in Marokko sich unaufhaltsam dem Ende zuneigt, fahren wir noch einmal in einem bequemen Zug der ONCF zurück an die Nordküste, dieses Mal direkt bis nach Tanger. Vom Abteil aus fällt der Blick ein weiteres Mal auf sanfte grüne Hügel, Dörfer mit markanten viereckigen Minaretten, Schafherden, unzählige Störche und weiße Reiher.
Kurz vor dem Zielbahnhof sind überall die Bauarbeiten für die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke Afrikas zu sehen. In Kürze schon, so verspricht es die Werbung an den Bahnhöfen, sollten auch in Marokko TGV-Züge eingesetzt werden.
Überfahrt mit Nebenwirkungen
Wir lassen uns wieder von einem Taxi zum entlegenen Hafen Tanger-Med chauffieren und spüren schon unterwegs den stürmischen Wind. Tatsächlich verzögert sich das Ablegen der Fähre, alle Autos müssen gründlich vertäut werden. Während der Überfahrt darf dann niemand mehr an Deck gehen, und es wird tatsächlich wirklich ungemütlich. Wogen peitschen über das Autodeck, wo wir die Koffer stehen lassen mussten – mit der Folge, dass wir in Spanien mit durchnässtem Gepäck ankommen.
Kurz darauf wird der Fährverkehr für mehr als 24 Stunden ganz eingestellt, wir haben wohl tatsächlich das letzte Schiff bekommen, das noch Richtung Europa auslaufen durfte. Marokko-Reisende sollten solche Wetterprobleme unbedingt mit einplanen, wenn sie mit günstigen Bahntickets durch Spanien und Frankreich unterwegs sind, die eine Zugbindung vorsehen!
Außenstelle Europas
Ich hatte von möglichen Stürmen gelesen und zwei Reservenächte an der Südspitze Spaniens in die Route eingebaut. Mit dem guten Ferienwetter ist nun zwar Schluss, trotzdem wollen wir noch für einen Tag nach Gibraltar – auch, wenn es dort keine Eisenbahn gibt. Aber das britische Überseegebiet ist wirklich kurios: Die knapp 30.000 Bewohner am Fuß des Felsens leisten sich eine eigene Währung und eigene Briefmarken.
Die einzige Landverbindung nach Spanien führt quer über die Startbahn des Flughafens. Bei Flugverkehr werden Autos und Fußgänger von Ampeln und Schranken gestoppt. Und dann sind da natürlich die Magots, die schwanzlosen Berberaffen. Bekanntlich ist Gibraltar der einzige Ort in Europa, an dem wild lebende Affen vorkommen. Die haben sich an die vielen Touristen gewöhnt, einen besonders wilden Eindruck machen sie nicht mehr.
Wieder in Spanien
Nach dem spannenden Tag in Gibraltar heißt es jetzt für uns nur noch fahren, fahren, fahren. Allein 13 Stunden brauchen wir von Algeciras bis an die spanisch-französische Grenze nach Irún, wo wir eine kurze Nacht in einer Bahnhofspension verbringen. Dabei können wir beim Umsteigen im Bahnhof Madrid Atocha nun neben dem hypermodernen neuen Terminal auch die angrenzende, umgebaute alte Bahnhofshalle besichtigen. Hier wurden die Gleise durch einen Palmengarten mit großem Schildkrötenbecken ersetzt – ein echter Hingucker!
Auf zur letzten Etappe
Der letzte Reisetag beginnt dann früh morgens mit einer Taxifahrt von Irún ins zwei Kilometer entfernte französische Hendaye. Von dort geht es in hohem Tempo mit TGV und ICE über Paris und Straßburg zurück nach Deutschland.
In zwei Wochen sind wir ohne irgendwelche nennenswerten Probleme mit dem Zug in eine für uns absolut fremde Welt und wieder nach Hause gefahren. Unser Fazit fällt absolut positiv aus: Wir haben Marokko als extrem sehenswertes, sehr sicheres und kinderliebes Reiseland kennengelernt, das man problemlos auf eigene Faust besuchen kann – auch und erst recht mit der Eisenbahn!
Vorgeschichte verpasst?
Kein Problem! Hier gehts zum ersten Teil des Berichts über die Anreise mit ICE, TGV und Co. von Mannheim über Paris und Madrid nach Algeciras.
9 Kommentare
Ein toller Bericht über eine spannende Reise. Ich bin mit dem Zug auch vor allem in Richtung Osten unterwegs, aber deine Route werde ich mir mal etwas genauer anschauen. 😉
Viele Grüße
Anika
Danke! Es ist – wie beschrieben – eine ganz andere Welt. Und im Vergleich zur Eisenbahn in Ländern wie Bulgarien, Griechenland oder Serbien können sich die Marokkaner wirklich sehen lassen.
Danke für den ausführlichen und spannenden Bericht. In Folge des Gewahrwerdens des eigenen Co2- Abdrucks wollen wir auch mit Öffis weiter Fernziele erreichen.
Hallo Karsten
Dein Bericht zur Zugsreise nach Marokko hat mir sehr Freude gemacht! Ich war im Netz auf der Suche nach einer praktikablen Möglichkeit, (zwar aus der Schweiz) mit ÖV nach Marokko zu kommen. Dein Bericht ist mir eine riesige Planungshilfe und ein grosser Mutmacher!
Für die Ökologie unserer Erde hast du einen grossen Beitrag geleistet: Der Beweis, dass der längere Weg eben auch ein spannendes Ziel ist, welches wir mit einem Flug verpassen!
Herzliche Grüsse aus Bern
Bernhard
Also ich bin total fasziniert, das werde ich mir auf jeden Fall vornehmen für meine nächste Marokkoreise! Danke für die tollen Tips, die so „am Weg liegen“. Da gibt es ja sehr viel zu sehen“ Super!
Ihr seid jeder zeit herzlich wilkommen denn das war ich auch und zwar 30jahre in deutschland und heute lebe ich in meiner Heimat und verdiene mein geld in dem ich menschen durch das land in ihrem Urlaub begleite ,schade das ich euch nicht getroffen habe denn mein Wohnort ist in Assilah . für alle die gerne dieses Land besuchen möchten ihr dürft jeder zeit durch klingeln. Gruss Assis … eloizzaniaziz82@gmail.com
Danke für den schönen Bericht!! Ich plane gerade eine Reise von Deuschland nach Marokko und zurück über Land und da ist dieser Artikel genau richtig und sehr hilfreich
Hallo Charlotte,
hat die Reise stattgefunden? Ich würde mich über ein paar Tipps freuen, weil ich gerade ähnliches im Febr-April ’24 plane 😉
Herzliche Grüße, Gerlind
Hallo Charlotte,
und wie war Deine Erfahrung? Ich will im Februar auch los.
viele Grüße
Gerlind