Zwei Tage Belgrad liegen hinter mir. Zwei sehr interessante Tage, die in meinem Kopf das Bild von Serbien komplett zum Positiven verändert haben. Am liebsten wäre ich noch einen Tag geblieben, aber die Wettervorhersage verhieß nichts Gutes. Da ich die Adria noch bei Sonnenschein erleben wollte, musste ich mich aufmachen. Vor mir lag die Fahrt auf der einzigen Bahnstrecke zwischen Serbien und Montenegro.
Die Bahnstrecke Belgrad–Bar
Es handelt sich nicht um irgendeine Strecke, sondern um eine Strecke der Superlative. Nicht was die Geschwindigkeit betrifft – da haben die Franzosen, Italiener und Deutschen eindeutig die Nase vorn. Aber dafür hat es die Landschaft in sich! Die Gebirgsbahn überquert drei Gebirgszüge im Dinarischen Gebirge. Dafür sind nicht weniger als 254 Tunnel und 243 Brücken notwendig. Die ersten Ideen, eine Bahnstrecke von Serbien an die Küste zu bauen, bestanden schon zu Zeiten des Osmanischen Reiches und der K.-u.-K.-Monarchie. Gebaut wurde die Strecke schließlich unter Tito mit ungeheurem Aufwand, eröffnet wurde sie am 28. Mai 1976. Sehr lesenswert ist der Wikipedia-Artikel zur Bahnstrecke.
Leider hat die Strecke auch ihre Schattenseiten: So vergeht kein Jahr, in dem nicht an ein paar Wochen Teile der Strecke wegen Schäden an den Schienen nicht befahrbar sind und Teile im Ersatzverkehr gefahren werden. Ein bisschen Glück gehört also dazu, wenn du die Strecke einplanst.
Mit oder ohne Licht?
Aktuell verkehren zwei Zugpaare pro Tag, der Tagzug „Tara“ und der Nachtzug „Lovćen“. In der Sommersaison fährt außerdem noch der „Panonija“ über Nacht von Bar nach Novi Sad und Subotica. Gebildet werden die Züge aus serbischen und montenegrinischen Wagen.
Ich habe mir mehrfach überlegt, ob ich tagsüber oder nachts fahren möchte. Sicherlich ist es die schöne Landschaft wert einen ganzen Tag dafür zu „opfern“. Allerdings war es schon Oktober und der spektakulärste Teil wäre der Dunkelheit zum Opfer gefallen. Außerdem mag ich Nachtzüge. Letztendlich entschied ich mich also für eine Nacht im Liegewagen.
Den Fahrschein, bitte
Die kleinste Hürde war der Fahrschein. Ich kaufe Tickets gerne erst vor Ort. Erstens sind sie günstiger, zweitens kommt trotzdem mehr von dem Geld dort an, wo es gebraucht wird, nämlich bei den lokalen Eisenbahnen. Und schließlich mag ich ausländische Tickets, bei denen oft der Kauf schon ein kleines Abenteuer ist.
Ich war also einen Tag vor Abfahrt in Belgrad am Fahrkartenschalter. Liegewagen, eine Person. Der Fahrschein hat 21 EUR gekostet, hinzu kamen noch einmal 6 EUR für den Liegeplatz. Gedruckt wurde das Ganze mit einem alten Nadeldrucker. Die Bezahlung per Kreditkarte war nicht möglich, dafür hat die Dame netterweise gewartet, bis ich am Geldautomaten die Scheine gezogen hatte.
Und los geht’s
Tja, etwas mulmig war mir dann trotzdem, so eine Nachtzugfahrt ist immer ein Abenteuer. Wer wird diesmal im Abteil auf mich warten? Im Gegensatz zu meiner Fahrt im Liegewagen von Budapest nach Belgrad war der Zug deutlich voller. Und zwar mit Einheimischen.
Die Strecke ist geographisch schwierig und so fehlen auch gute Straßenverbindungen. Die Bahn kann da tatsächlich mit Bussen mithalten, was auf dem Balkan selten ist. In meinem Abteil waren dann sogar Schülerinnen, die noch mit ihren Hausaufgaben beschäftigt waren. Und ein Herr, der froh war, dass ich ihm meinen Akku geliehen habe, um sein Smartphone zu laden. Steckdosen hatte der alte Waggon aus ursprünglich französischem Bestand nämlich keine.
Drei Länder, wenig Schlaf
Ich schlief leider nicht gut. Es lag daran, dass nach Belgrad noch eine Dame mit einem Kleinkind zugestiegen war und das Kind die Nachtzugfahrt wohl nicht so sehr genoss. Der Zug durchfährt neben Serbien und Montenegro auch noch einen Zipfel von Bosnien-Herzegowina. Grenzkontrollen finden dort aber keine statt, es gingen nur einmal kurz Grenzbeamte durch. Alles recht entspannt also.
Ich wurde aber entschädigt für die Nacht. Was meine Augen am frühen Morgen zu Gesicht bekamen, war einfach nur schön. Ich war bis jetzt mit der Eisenbahn in Norwegen, in Großbritannien – und ja, auch Deutschland bietet einige schöne Strecken wie das Rheintal. Aber das hier ist einfach nur spektakulär. Ich lasse die Bilder sprechen. In Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro, sind übrigens die meisten Leute ausgestiegen, so dass es danach ruhiger wurde.
Angekommen – und gleich weiter
Wir erreichten Bar schließlich gegen halb acht. Ich hielt mich nicht lange auf, sondern suchte gleich den Busbahnhof. Bar ist eine triste Hafenstadt, darum zog es mich weiter nach Kotor, was dann auch relativ problemlos ging. Kotor selbst liegt an der fjordartigen Bucht von Kotor und ist leider touristisch etwas überlaufen.
Gleich hinter der Stadt geht es steil bergauf zu einer Festung und von dort weiter ins Hinterland. Da das Wetter an diesem Tag eben noch passabel war, habe ich die Gelegenheit für eine Wanderung genutzt. Der Ausblick auf die Bucht war herrlich, der Aufstieg aber auch recht anstrengend – aber gut begehbar.
Am zweiten Tag hatte ich weniger Glück mit dem Wetter und habe stattdessen an einer Bustour teilgenommen. Insgesamt hat mich Montenegro äußerst positiv überrascht. Keine Hinterlassenschaften des Jugoslawien-Krieges, freundliche Menschen, unberührte Natur und eine schöne, ganz andere Architektur.
Mein Fazit: Auch im Nachtzug ist die Bahnstrecke von Belgrad nach Bar ein absolutes Highlight – vorausgesetzt, du fährst im Sommer oder Herbst und stehst morgens nicht zu spät auf. Dann heißt es nur noch „Fenster auf!“ und die einmalige Natur Montenegros genießen.
Mehr Nachtzug?
Dann folge uns jetzt auf Facebook und Twitter! In den sozialen Netzwerken halten wir dich auf dem Laufenden über neue Artikel und Nachrichten rund um das Thema Nachtzug.
2 Kommentare
Ein sehr schöne Bericht! Falls du nochmal in der Nähe bist und Interesse hast – Mach mit uns eine Führerstandsmitfahrt von Bar bis Kolasin.
Bar ist KEINE TRISTE STADT! Schaut euch mal die Altstadt an!