Nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern auch Kultur und Tradition. Essen und Trinken erzählen viel über die Identität eines Landes. Im Speisewagen kannst du das schon bei der Anreise erleben. Und zwar ganz entspannt, während draußen vor dem Fenster die Landschaft an dir vorbeizieht. Das ist Reisekultur in Reinform.
So bunt wie der Kontinent, so vielfältig sind die Gerichte in Europas rollenden Restaurants. Hier ist eine Auswahl an landestypische Spezialitäten, die du 2018 im Speisewagen genießen kannst.
1. Polen: Żurek, saure Mehlsuppe
Polens Küche hat mehr zu bieten als Pierogi und Bigos. Zum Beispiel Żurek (man spricht das „Z“ wie das „J“ in Journal), eine Suppe aus vergorenem Roggenschrot. Vergoren? Ganz genau. Was abenteuerlich klingt, ist der besondere Clou: Durch den Gärvorgang über mehrere Tage bekommt die Suppe eine angenehm säuerliche Note, die perfekt mit der deftigen Einlage aus Wurst und Ei harmoniert.
Wie oft bei traditionellen Gerichten, ist auch der Żurek ursprünglich ein Arme-Leute-Essen. Kein Wunder: Die Mehlsuppe ist einfach, aber gehaltvoll. In Polen gehört Żurek zum Ostersonntag wie bei uns der Senf zur Wurst. Gegessen wird er dann aus einem Brotlaib, der aussieht wie ein Riesen-Champignon. Auch im restlichen Jahr steht Żurek ganz oben auf der Karte der Imbisse und Restaurants zwischen Oder und Bug.
Oder eben im polnischen Speisewagen. Also, solltest du mal wieder im Zug nach Warschau sitzen, mach es doch wie die Polen: Bestelle einen guten Teller Żurek. Die Piroggen kannst du danach immer noch essen – falls du dann noch Platz in deinem Magen hast.
2. Tschechien: Lendenbraten mit Knödeln
Wer Tschechien sagt, meint Svíčková. Jedenfalls, wenn es ums Essen geht. Der Lendenbraten mit Knödeln und viel, viel Sahnesauce ist der Klassiker der böhmischen Küche. Natürlich darf er auch im Speisewagen der tschechischen Bahn nicht fehlen.
Der Name des Gerichts geht zurück auf svíčka, dem tschechischen Wort für Kerze. Warum das so ist, dafür gibt es mehr Erklärungen als Bäume im Böhmischen Wald. Die einen sagen, es läge an der Form des Fleischstücks. Die anderen, es hätte mit der Herstellung von Kerzentalg aus dem Fett der Rinderniere zu tun. Eine dritte Theorie: Eine gute Svíčková muss so lange schmoren, dass man sie erst bei Kerzenschein genießen kann.
Egal, wer Recht hat: Schmecken muss es! Und das tut es immer, etwa im Bistro des Pendolino quer durch die Republik. Noch besser allerdings mundet es im EuroCity nach Prag: Wenn der Zug sich im Elbtal in die Kurven legt, das Bier im Glas sanft dem Takt folgt, dann erst ist der Genuss vollkommen.
3. Slowakei: Frisches Omelette
Wenn man mit dem Zug durch die Slowakei fährt, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Das trifft auch – und ganz besonders – auf den Speisewagen zu. Während der Rest Europas längst auf Fertigprodukt und Mikrowelle setzt, wird im slowakischen Zugrestaurant noch richtig gekocht.
Und das schmeckt man.
Stellvertretend dafür: das Frühstücks-Omelette. Natürlich bleibt ein Omelette ein Omelette und ist auch in der Slowakei keine Haute Cuisine. Was entscheidet, ist das Drumherum: Der eingedeckte Tisch, das Lämpchen zum Anknipsen, der Kellner mit seinem Notizblock. Untermalt wird die Szenerie von dem Brutzeln und Braten aus der Küche.
Was dann auf dem Teller landet, ersetzt mit Brot, Käse und Speck ein halbes Mittagessen. Ob es daran liegt, dass mancher Slowake schon morgens um acht zu Bier statt Kaffee greift? Fest jedenfalls steht: Eine Fahrt durch die Slowakei wird im Speisewagen zum echten Leckerbissen.
4. Deutschland: Schwäbische Maultaschen
Die deutsche Küche? Gibt es nicht! Bei der Bordgastronomie der Bahn versucht man sich daher am Regionalen. Zu den Klassikern gehören Currywurst (Berlin), Rostbratwürstchen (Nürnberg), oder eben: Schwäbische Maultauschen.
Ravioli, Pelmeni, Wan Tans – das Bedürfnis, Dinge in Teig zu wickeln, ist international. Einmalig hingegen ist die Begründung, mit der man es im Ländle tut: Der Legende nach waren es Mönche aus Maulbronn, die auf diese Weise ihren Fleischkonsum in der Fastenzeit verstecken wollten. Im Südwesten kennt man die Teigtaschen darum auch als „Herrgottbescheißerle“.
Ganz ohne Angst vor dem lieben Gott kannst du die Maultaschen heute im Bordrestaurant des ICE, sowie den InterCity-Zügen mit Bistrowagen genießen. Ob mit oder ohne Beilagensalat: Schmackhaft und sättigend sind sie allemal.
5. Ungarn: Paprikahuhn mit Nockerln
Ob mild, süß oder scharf: Es gibt wohl kaum ein Gericht der ungarischen Küche, was ohne Paprika auskommt. So auch beim Paprikás csirke, dem Paprikahuhn. Ursprünglich aus Westungarn, ist es heute heimliches Nationalgericht, mindestens auf einer Stufe mit dem ewigen Gulasch.
Die Zubereitung? Rustikal. „Man zerlege ein Hühnchen, auch Leber und Magen“, diktiert ein Kochbuch von 1959. Geschmort werden die Teile dann mit reichlich Zwiebel, Knoblauch und – du ahnst es – Paprika. Noch ein Schuss Sahne und fertig ist das Bett für die herausgelösten Filets. Dazu gibt es Nockerln, kleinen Knöpfe aus Teig, die an Spätzle erinnern.
Neben Gulasch und Palatschinken gehört das Paprikahuhn zu den Klassikern im ungarischen Speisewagen. Der allerdings ist eine aussterbende Art: Unterwegs sind die rollenden Restaurants seit dem Kahlschlag im Dezember 2017 nur noch im EuroCity „Hungaria“ von Hamburg nach Budapest, sowie dem „Varsovia“ zwischen Budapest und Warschau.
Appetit bekommen?
Auf Train Tracks findest du noch mehr Geschichten zum Speisen auf Gleisen. Zum Beispiel über eine Fahrt im letzten slowenischen Speisewagen.
2 Kommentare
Ich habe den Lendenbraten mit Knödeln auch im Eurocity von Prag gegessen und war echt begeistert. Super lecker! Schöne Atmosphäre während man an der Elbe entlang fährt. Einfach klasse.
Hinzu kommt der supergünstige Preis aufgrund der Happy Hours. So viel Geschmack für so wenig Geld bekommt man sonst selten, erst recht nicht im Boardrestaurant.
Wunderschöner Bericht! Die Fotos und Gerichte machen Lust auf mehr! Vor allem die guten alten roten Plüschbezüge im Speisewagen sind mein Favorit! So geht Bahnreisen mit Komfort! Super, danke!